aargau eins A

24 1.2019 aargau eins A RÜCKBLICK Zu einem national und international renommierten Ort der Musik und dazu noch einem Aargauer Kultur- leuchtturm wurde das Künstlerhaus im Laufe einer langen, bewegten Geschichte. 1953 wurde die Stiftung Alte Kir- che Boswil von Willy Hans Rösch und Albert Rajsek mit dem Ziel gegründet, ein Heim für mittellose und alternde Künstler zu schaffen. Mit dem Tod der letzten Pensionä- rin 1991 begann eine Neuorientierung: Willy Hans Rösch, der Mitbegründer und langjährige Leiter, trat zurück – der Stiftungszweck wurde neu definiert. Das Künstlerheim wurde zum Künstlerhaus und 2006 zum Ort der Musik. Damit festigte es seine Bestimmung als Stätte vielfältiger Begegnun- gen und fruchtbarer künstlerischer Auseinandersetzungen. KLASSISCHE MUSIK STEHT IM ZENTRUM Meisterkonzerte mit Weltklasse-Interpreten sowie der grossen Publi- kumszuspruch verzeichnende Boswiler Sommer, der 2019 zum 19. Mal stattfindet, sind das eine; das andere sind die Bereiche der Aus- und Weiterbildung (Boswiler Akademie) sowie die eigenen Ensemble- und Orchesterprojekte. Zu ihnen gehören das Ensemble Boswil für neue Musik, das Jugendorchester Freiamt und das von Hugo Bollschweiler zu einem exzellenten Klangkörper mit unverwechselbarem Profil geformte Jugend-Sinfonieorches- ter Aargau. Hinzu kommt eine Fülle teils auch ausgefallener Veranstaltungen. So formierten sich 2009 unter Leitung des Künstlerhauses 640 Mitwirkende zum «Largest Cowbell Ensemble» der Welt, womit der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde garantiert war. «SCHRÄGE» IDEEN Boswil, nahe bei Städten wie Zürich, Luzern und Aarau gelegen, scheint von diesen weit entfernt. Störche auf dem Acker, Wiesen und ein Himmel mit oder ohne Gewölk, dazu Kuhglockengeläut – eine Idylle. Keiner würde sie stö- ren. Irrtum. An einem Julisonntag im Jahr 2011 heben vier Helikopter auf der Wiese vor der Alten Kirche ab. An Bord: das casalQuartett, zu dem der Cellist Andreas Fleck zählt, künstlerischer Leiter des Boswiler Sommers. Die vier voll- führen Spektakuläres: Sie spielen Karlheinz Stockhausens Helikopterquartett. Der Komponist hatte von vier Streichern geträumt, die fliegend spielen – 1995 fand die Uraufführung in Amsterdam statt; am 3. Juli 2011 die Schweizer Erstaufführung beim Bos- wiler Sommer. «Wir haben das Ganze ziemlich kurzfristig aufgegleist. Gut, dass wir nicht wussten, was da auf uns zukommt», sagte Michael Schneider (Geschäftsführer des Künstlerhauses seit 2006) damals: «Aber Flexibilität und Kreativität sind bekanntlich ein Markenzeichen des Künstlerhauses.» LEGENDÄR Auch Festival-Mottos wie «Delikatessen» oder «Sans- Souci» muten zunächst «schräg» an; jedenfalls lassen sie die Besucher rätseln, was damit gemeint sein könnte. Dagegen erscheint das diesjährige Motto des Boswiler Sommers, «Legendär!» geradezu normal. Wer sich in die Geschichte des Künstlerhauses vertieft, wird um dieses Adjektiv nicht herumkommen. Legendär sind die unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Aufenthalte von DDR-Kom- ponisten in den 70er- und 80er-Jahren, Konzerte von A B A Geniesst die Standing Ovation: Anastasia Kobekina am Boswiler Sommer 2018 B Volle Konzentration: Der Cellist Giovanni Sollima C «Helikopterquartett» von Karlheinz Stockhausen als Schweizer Erstauffüh- rung, gespielt vom casalQuartett am Boswiler Sommer 2011. In separaten Helikoptern aufgenommen, fanden die vier Instrumente der Quartettmitglieder erst in der Liveübertragung und -mischung in der Alten Kirche zum spek- takulären Konzert zusammen.

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